Als die Aufmerksamkeit laufen lernte. Oder: Die fabelhafte Welt der Aufmerksamkeit.

„Am vierzehnten März Zweitausenddreiundzwanzig, um achtzehn Uhr, sechzehn Minuten und zweiunddreißig Sekunden landeten 47 Menschen im charmanten Kinosaal in Lenzing. Sie wollten ergründen, was es mit der Aufmerksamkeit in der Werbung so auf sich haben kann und sie schärften dafür alle zur Verfügung stehenden Sinne. In dem herrlichen traditionsreichen Kino, ganz unter sich, mitten in Oberösterreich entdeckten sie die fabelhafte Welt der Amélie Poulain und ihrer Menschen um sie herum. Sie entdeckten, wie aus einer kleinen Idee ein Lebensmotto wird und wie sich auch die winzigsten Impressionen zu großen Erinnerungen formen können. Sie hörten, wie sich einfachste Klänge zu einem großen Konzert im Kopf zusammenkomponieren. Und sie sahen, wie sich geniale Einfälle – seien sie auch noch so nebensächlich – im Gehirn einnisten und jederzeit als eigene Geschichten wieder herauskommen.“ Mit solchen Worten würde der Sprecher im Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ den Grünen Salon im Kino Lenzing beschreiben.

Doch spulen wir den Abend noch ein bisschen zurück zum Anfang.

Bevor wir in die fabelhafte Welt der Amélie eintauchen konnten, gab es einige Betrachtungen, die uns aus dem Film ins echte Leben begleiten können: wirksam für jede Marke, jedes Unternehmen, jede Dienstleistung und jeden von uns.

Die fabelhafte Welt der Amélie – der erfolgreichste französische Film überhaupt – wurde aus vielen Gründen ausgewählt. Denn das Leben und Wirken und Sein der Amélie ist eine Szenerie mit dem besonderen Blick auf die kleinen Dinge, die die Welt jederzeit verändern können. Ohne Getöse, Action oder Hollywood-Pomp. Dazu kommt eine außergewöhnliche Ästhetik und Farbgestaltung. Eine Musik-Komposition, die durch ihre Einfachheit ins Gehör geht und dort verweilt, jederzeit assoziierbar. Anekdoten, Erlebnisse und ein dem Schicksal-auf-die-Sprünge-Helfen, wie es manchmal genialer nicht sein kann. Alles in allem ein herrlicher Mix besonderer Formen von Aufmerksamkeit. Ein Film, der uns im Business vielleicht sogar fabelhafte Wege aufzeigt.

Wir alle wissen: Man kann laute Filme machen, die mit viel Krach die Welt retten. Ob mehr Krach mehr auffällt und in wirtschaftlicher Hinsicht noch mehr rettet, das wissen die Marketer der großen Möbelhäuser oder Unterhaltungselektroniker besser. Dazu kommt immer mehr Mediadruck. Und irgendwie hat man das Gefühl, dass man sich jede Woche eine neue Küche, ein neues Wohnzimmer oder einen neuen Fernseher kaufen sollte.

Laut und groß kann nerven. Und kein Mensch weiß, ob jemand zuhört, aufsieht oder hingreift. Laut und lauter können Abstumpfung erzeugen – mit einem hohen Werbung-nervt-Faktor. Dennoch, die Rechnung wird schon irgendwie aufgehen.

Ein guter Klang in der Kommunikation
ist keine Frage der Größe des Orchesters.

Eine wirksame Kommunikation ist folglich keine Frage der Budgetgröße, sondern der guten Idee. Kreativität ist mehr denn je die Ursuppe für erfolgreiche Werbung. Sie schmeckt auch denjenigen, die wir Zielgruppe nennen. Dazu kommt eine Eigenschaft, die auch in der schnelllebigen Zeit keineswegs an Bedeutung verliert. Wir meinen Persistence, also die Beharrlichkeit und das Durchhaltevermögen, wenn es darum geht, eine gute Idee immer wieder mit neuer Energie zu versorgen.

Schwenken wir also immer hin und her zwischen Film und Wirklichkeit. Denn zu nahe sind die überraschenden Wendungen und genialen Twists im Film, als dass wir nicht in der gleichen Sekunde an unsere Welt der Kommunikation und ihrer Aufmerksamkeit erinnert werden.

Wesentlich ist aber in allen Betrachtungen hier, dass auch die Achtsamkeit immer mitspielt, denn sie ist es, die über die feinen Nuancen entscheidet und darüber, dass vor dem Gut ein Sehr steht. Achtsamkeit ist es auch, die der Zielgruppe eine besondere Wertschätzung vermittelt.

Aufmerksamkeit + Achtsamkeit = qualitative Aufmerksamkeit.

Denken wir doch nur an das Knacken der Kruste von Crème brûlée, wenn man mit dem Löffel zur weichen Crème durchdringen will. Das ist leise, ganz nah, irgendwie sehr persönlich, sogar ein bisschen intim. Und mit dieser Sinneswahrnehmung schwenken wir herüber in ein gut gemachtes Packaging für eine Einladung, in einen Radiospot, der durch einen einzigen Ton, ein Lachen oder eine Stimme so charakteristisch wird, oder in das charakteristische Klacken einer Autotür, das die Sound Designer ganz bewusst und unverwechselbar kreiert haben. Hören Sie’s?

Wir haben bei „Amélie“ vier Formen der qualitativen Aufmerksamkeit entdeckt. Vier entscheidende Bereiche, die auch wir in der Gestaltung, in der Sprache und in der Konzeption beherzigen.

01 Außergewöhnliche Details erzeugen starke Emotionen.

Kleinigkeiten sind die Hauptdarsteller im Film. Eine Blechschachtel, die in die Welt eines kleinen Jungen entführt, mit all den Spielsachen, Karten, Fotos, Erinnerungen drin. Im Film sieht man einen erwachsenen Mann, dem diese Blechschachtel von Amélie zugespielt wird. In der Sekunde des Öffnens ändert sich sein Gesichtsausdruck: Ungläubigkeit weicht Überraschung, Erinnerung und einer unendlich großen Darstellung von Enttäuschung aus der Schulzeit. Nämlich dann, als der kleine Junge beim Spiel auf dem Schulhof alle Glasmurmeln gewann, diese hektisch in seine Taschen stopfte, bis die Nähte rissen und der große Gewinn, der einmalige Triumph ganz einfach herausplatzte und sich über den Schulhof zerstreute.

02 Die Kraft der Einfachheit.

In vielen Szenen erkennt man die Genialität der Einfachheit. Aber in der gewählten Musik wird sie am deutlichsten. Sie ist schlicht, pur, authentisch und nicht minder international bekannt. Das entscheidende Charakteristikum ist, dass jedes Stück im Film immer nur von einem Instrument gespielt wird. Nicht von Symphonieorchestern! Eine Geige. Ein Klavier. Ein Akkordeon. Das schafft Spannung und Emotionen.

Wichtig ist zudem, dass es sich bei der tragenden Hauptmusik um einen „einfachen“ Klassiker für Klavierschüler:innen handelt und nicht um eine hochkomplexe Komposition. Die Titelmusik von Yann Tiersen heißt „Comptine d’un autre été“ – „Ein Kinderlied aus einem früheren/anderen Sommer“.

03 Die starke Ästhetik.

Es ist ja nicht so, dass ein Folder, eine Kampagne oder ein Design mit diesem Film gleichzusetzen sind. Aber die Grundsätze einer starken Ästhetik beherzigen wir ebenso wie die Macher des Films. Sie haben ihn in den Hauptfarben Grün und Gelb gehalten und geben mit Rot starke Signale, Impulse und heben damit die Wirkung hervor.

Die warme Gelb- und Grüntönung lässt den Film wie einen alten Streifen erscheinen, ohne vergilbt zu wirken. Die kräftigen roten Farbakzente schärfen immer wieder den Fokus, heben ein Detail hervor und geben der Geschichte damit auch die optische Wendung.

04 Kleine, kreative, hartnäckige Maßnahmen mit großer Wirkung.

Senden Sie doch mal einen Gartenzwerg mit einer Stewardess um die Welt und schicken aus allen Teilen der Erde ein Polaroid zu einem Menschen, der das Haus nicht mehr verlässt. Das macht nachdenklich!

Allein schon die Idee, dass der depressive Vater Amélies das Grab der Mutter mit dem von ihr gehassten Gartenzwerg schmückt, ist besonders. Dass dann aber auch noch der Gartenzwerg „auf Reisen geht und dem Vater die Welt auf Fotos schmackhaft“ macht, ist eine ganz besondere.

Sie zeigt, wie Amélie den Zwerg stiehlt, ihn einer Stewardess mitgibt und sie bittet, Fotos aus der Welt zu senden. Ihren Vater motiviert sie damit, das Haus wieder zu verlassen, neue Lebensfreude zu gewinnen und sich auf den Weg nach draußen zu machen.

All das macht deutlich, wie sehr Hartnäckigkeit wirken kann, ohne aufdringlich zu sein. Wie sehr ein immer wiederkehrender Impuls motivieren und zu Taten bewegen kann.

Auch die kleinsten Details können große Emotionen erzeugen.

Achte auf das Besondere und setze es wertig in Szene.

Die Kraft der Einfachheit, der Schlichtheit schafft Spannung und Emotion.

Starke Ästhetik kommt mit der guten Idee besser zum Vorschein.

Farbe, Komposition, Fotostil, Schrift, Weißraum, Format – alles wirkt.

Schon kleine Maßnahmen können große Wirkung erzeugen.

Glaubt an die kreative Idee und verfolgt sie hartnäckig.

Qualitative Aufmerksamkeit ist keine Frage riesiger Budgets.

Erkennt die Mehrdeutigkeit: Gute Werbung ist ganz einfach.

Und jetzt noch eine Geschichte über echte Aufmerksamkeit. Nahrung ist aller Vorstellung Anfang.

Ganz unter sich und ungestört warteten die Menschen im Lenzinger Kino auf den Beginn des Films. Und es begann, wie es immer beginnt im Kino: Das Licht wird heruntergedimmt, es wird leiser, Flüstern umgibt uns, Räuspern und das letzte verschämte Rascheln der Chipspackung. Mit der Dunkelheit steigen Vorfreude und Spannung. Und schon kommt die erste Probe für die Aufmerksamkeit. Ein lautes Rufen der sympathischen Frau vom Buffet: „Die Dame mit der Thunfischpizza!?“ Hatte sich doch die bestellte Pizza zu spät aus dem Ofen gemeldet und so geschah es, dass wir thematisch gleich zu Beginn auf eine andere Fährte gelockt wurden.

Ende.

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